Die Geschichte des Zauberkastens geht einher mit der geschichtlichen Entwicklung der Zauberkunst.
Wenn man von den Priestern und Zauberern der Antike absieht, dann ist die Moderne Zauberkunst aus der Taschenspielerkunst der fahrenden Gaukler und Spielleute entstanden, die Jahrhunderte lang durch die Dörfer und Städte zogen und mit Ihren wundersamen Künsten ihren Lebensunterhalt mehr schlecht als recht verdienten. Der eintönige und entbehrungsreiche Alltag der Stadt- und Landbewohner wurde zwar durch das fahrende Volk bereichert, aber die einheimische Bevölkerung hegte immer einen Argwohn gegenüber den Nichtsesshaften.
„Hieronymus Bosch 051“ von Hieronymus Bosch (etwa 1450–1516) und Werkstatt – The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei. DVD-ROM, 2002. ISBN 3936122202. Distributed by DIRECTMEDIA Publishing GmbH.. Lizenziert unter Public domain über Wikimedia Commons.
Vom Taschenspieler zum Zauberkünstler
Im tiefen Mittelalter blieben auch die Taschenspieler nicht von der Hexenverfolgung verschont, die sich in Europa von 1450 bis 1750 hinzog. Bereits 1584 veröffentlichte der englische Arzt Reginald Scot das Buch „The Discoverie of Witchcraft“, in dem er Zaubertricks erklärte und Hexenverfolgung für irrational und unchristlich erklärte. Sein Buch gilt nicht nur als erstes neuzeitliches Buch über die „Aufklärung der Zauberei“, sondern auch als erstes Zauberbuch mit Trickbeschreibungen überhaupt. Vieler solcher Bücher, die der Aufklärung dienen sollten, wurden danach von den verschiedensten Autoren auf den Markt gebracht.
So wurden die Geheimnisse der Taschenspielerkunst, die einst nur von Gaukler zu Gaukler weitergegeben wurden, einer breiteren Masse bekannt. Die Wissenschaften erlebten nach der dunklen Zeit des Mittelalters besonders in der Physik und Chemie einen großen Aufschwung. Ein Wissen, das nur einer kleinen Schar von Gelehrten bekannt war. Dies nutzte eine neue Zauberkünstlergeneration, um ihre Zuschauer mit den neusten Erkenntnissen der Wissenschaft zu verblüffen. Aus den Gaukler und Taschenspieler der Straßen und Plätze waren im 18. Und 19. Jahrhundert Zauberkünstler am Hof, in den Theatern oder in den Salons der feinen Gesellschaft geworden.
Die Zauberkunst erobert die Wohnstuben und Kinderzimmer
Der letzte Schritt der Zauberkunst von der Bühne in die Wohnstuben ist verbunden mit dem Aufstieg des Bürgertums. Je besser es den Bürgen ging, desto größer war die Nachfrage nach dem passenden Zeitvertreib. So fanden die verschiedensten Künste den Einzug in die Bürgerhäuser. Der Dilettant, der eine Sache um ihrer selbst willen ausübt, also aus Interesse, Vergnügen oder Leidenschaft war geboren.
Es wurde gemalt, Gedichte geschrieben, musiziert und vieles mehr. Heute würden wir sagen das Hobby wurde erfunden und somit auch ein Markt erschaffen der bedient werden wollte. So gab es Arbeit für die verschiedensten Lehrer, die die schönen Künste den höheren Töchtern und Söhnen beibrachten, es wurden Bücher geschrieben und letztendlich auch die verschiedensten Utensilien hergestellt und verkauft.
Obwohl der Dilettantismus maßgeblich dazu beitrug, dass unzählige Künstler und Wissenschaftler gefördert wurden, hat heute das Wort Dilettant eine abwertende Bedeutung. Es wird dann gleichgesetzt mit: unfachmännisch, unsachgemäß, fehlerhaft, stümperhaft. Nicht unschuldig daran ist Deutschlands berühmtester Dilettant, Johann Wolfgang von Goethe, der neben seiner Dichtkunst sich noch mit vielen anderen Dingen beschäftigte, die er nicht gelernt hatte. Dazu gehört die Beschäftigung mit der Farbenlehre, die Entdeckung der Metamorphose der Pflanzen oder den Zwischenkieferknochen des Menschen.
„Ein Dilettant verhält sich zur Kunst, wie der Pfuscher zum Handwerk“ Vieler solcher Zitate und das Werk über den Dilettantismus, verfasst in Zusammenarbeit mit Friedrich Schiller, trugen bestimmt dazu bei, den einst positiven Begriff, ins Negative zu verändern.
Im Jahr 1831 schenkte Goethe seinen Enkeln einen Zauberkasten und schrieb: „ Ich habe nichts darwider, daß die Knaben ihre müßigen Stunden mit solchen Thorheiten ausfüllen. Es ist ein herrliches Mittel zur Übung in freier Rede und Erlangung einiger körperlicher und geistiger Gewandtheit.“ Auch wenn Goethe es eine Torheit nennt, so war ihm der Wert der modernen Zauberkunst sehr bewusst. So besuchte er mehrmals die Vorstellungen des damals sehr populären Zauberkünstlers Ludwig Döbler und lud ihn zu sich ein um den Enkeln Unterricht zu erteilen. „Bedarfs noch ein Diplom besiegelt? Unmögliches hast du uns vorgespiegelt“ schrieb Goethe in sein Stammbuch.
„Goethe (Stieler 1828)“ by Joseph Karl Stieler – originally uploaded on nds.wikipedia.org by G.Meiners Licensed under Public domain via Wikimedia Commons.
Der von Goethe verschenkte Zauberkasten befindet sich heute im Düsseldorfer Goethe-Museum und ist ein gutes Beispiel für die ersten Zauberkästen die es zu kaufen gab.
Der Zauberkasten wird von der Spielwarenindustrie entdeckt
In einem Katalog des Georg Hieronimus Bestelmeier aus Nürnberg aus dem Jahre 1803 findet sich verschiedenen Kunst- und anderen nützliche Sachen 1111 verschiedene Produkte. Unter der Nr. 739 wird ein Taschenspielers-Apparat aufgeführt. Welcher findige Spielwarenhändler nun der erste war, der ein paar beliebte Zaubertricks der Zauberkünstler vereinfachte, sie mit einer Erklärungen versah und dann in einen Zauberkasten packte, ist nicht bekannt.
So werden in der „Gazette des Enfants et des Jeunes Personnes“ vom 1. Januar 1837 in einem Bericht über ein „Magasin d’Etrennes“ in der Rue du Coq, Paris, unter allerlei Spielzeugschachteln auch „Boîtes de Tours d’Escamotage“ erwähnt, Zauberkästen also.
Das Zentrum der Spielwarenherstellung in Deutschland war Nürnberg und so ist es nicht verwunderlich, dass die ersten Zauberkästen auch dort hergestellt wurden. So ließ der damals berühmte Zauberkünstler Professor Hermann von Nürnberger Drechslern in der Mitte des 19. Jahrhunderts, kleine hölzerne Zauberapparate drehen, die dann unter der Bezeichnung „Nürnberger Zauberkasten“ in alle Welt verkauft wurden. Der Drechslermeister Frank Grottenthaler fertigt heute wieder den Zauberkasten wie vor 120 Jahren an.
Wer sich für alte und neue Zauberkästen interresiert, der sollte das Zauberkasten Museum Wien besuchen. Manfred Klaghofer hat über 2000 verschiedene Zauberkästen gesammelt und stellt die interessantesten und schönstens in seinem Museum aus. Geöffnet ist es jeder 1.Sonntag im Monat von 10 – 16 Uhr, oder Gruppen bei Voranmeldung. Entrittspreise: Erw. 3,50 Kd. 6-15Jahre 1,50 Euro.
Einen Einblick über den Umfang der Sammlung kann man sich auf der seiner Flickr Seite machen.